Gruenderszene Magazin 2019 (PDF)




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Title: Gründerszene Magazin 2019
Author: Gründerszene

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EXKURS
Die WHU steht in renommierten
Hochschulrankings weit vorn. In
der Campus-eigenen Kapelle finden
Feierlichkeiten statt, zum Beispiel
von Studierenden organisierte
Benefizkonzerte
OTTO BEISHEIM SCHOOL OF MANAGEMENT

MYTHOS
WHU
Reportage
Viele bekannte Startup-Gründer haben an der Otto Beisheim
School of Management (WHU) in Vallendar studiert.
Unsere Autorin hat einen Tag an der Hochschule verbracht –
und abgeklärte 20-Jährige kennengelernt
Von Elisabeth Neuhaus

E

s sind nur ein paar Millimeter. Jemand hat die
Namensschilder bei der Druckerei abgeholt und
überbringt sie jetzt zusammen mit einer schlechten
Nachricht. Sie sind zu groß geraten für die Plastikhüllen, in denen sie am Freitag und Samstag stecken sollen. Namensschilder werden hier „Badges“ genannt. Eric
ärgert sich, pfeffert eines auf den Tisch. Kommilitone Paul
versucht zu beruhigen: „Besser als letztes Jahr, wisst ihr
noch? Da kamen die Badges in A6 und die Hüllen in A5.“
Verglichen damit sei das doch jetzt ein „easy fix“. Tim
kommentiert: „Die Learning Curve ist schon mal da.“
Gelernt haben sie hier viel. Nicht nur Startup-Denglisch.
Vor einem Jahr haben Eric, Paul und Tim zusammen mit
neun anderen Studierenden der Otto Beisheim School
of Management (WHU), alle im dritten Semester, alle

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GRÜNDERSZENE

zwischen 18 und 21 Jahren, begonnen, die Idealab-Konferenz 2019 zu organisieren. Ein Jahr hatten sie regulär
Uni, haben Praktika bei Startups in Berlin gemacht – und
nebenher mit Referenten telefoniert, Programmhefte
gestaltet, Namensschilder bestellt. Jetzt sind es nur noch
vier Tage bis zum Anpfiff.
Dass der Countdown läuft, spürt man an diesem Montag
Ende September im ersten Stock des Gebäudes G auf dem
WHU-Campus. Hier arbeitet das Orga-Team in lilafarbenen Hoodies auf die beiden großen Tage hin. Unterstützt
werden sie von Erstsemestern, den „Quietschies“, die
Ankunftszeiten von Gästen koordinieren und Mails an
Sponsoren schicken. In der „G-Woche“ (weil sie in den Tagen vor dem Event so viel Zeit im Gebäude G verbringen)
erinnert das Team tatsächlich an ein Startup: Ein Haufen

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motivierter Mitarbeiter trinkt naturtrüben Apfelsaft, isst
Chinesisch aus Plastikschalen und tippt auf MacBooks
herum. Jeder kümmert sich um alles Mögliche. Hauptsache, der Laden läuft.
Ausschließlich von Studierenden organisiert, findet die
Idealab-Konferenz seit 2001 jährlich an der Hochschule
im beschaulichen Vallendar bei Koblenz statt. Offiziell
heißt sie „Founders’ Conference“. Denn die WHU hat zwar
allerlei Dax-Vorstände, Investmentmanager und einen
Bundestagsabgeordneten hervorgebracht. Sie gilt aber in
Startup-Kreisen, ähnlich wie die Leipzig Graduate School
of Management (HHL), vor allem als Gründer-Brutkasten.
Rocket-Internet-Boss Oliver Samwer hat an der WHU
studiert, Mengting Gao und Verena Hubertz von Kitchen
Stories auch, außerdem die Zalando-Chefs Robert Gentz
und David Schneider sowie viele andere bekannte Namen
aus der Startup-Szene.

91.000 Euro Jahresgehalt
Die WHU steht in renommierten Hochschulrankings, etwa
dem der „Financial Times“ oder des „Economist“. Meist
rangiert sie neben der European School of Management

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GRÜNDERSZENE

and Technology (ESMT) Berlin oder der Mannheim Business School im deutschen Vergleich weit vorn. Eine der
Zahlen in diesen Tabellen ist das Durchschnittsgehalt der
Absolventen. An der WHU sind das laut „Financial Times“
auf Master-Level (Management-Master) drei Jahre nach
dem Abschluss umgerechnet circa 91.000 Euro (100.000
US-Dollar) im Jahr. „Die Rankings sind für die Business
Schools extrem wichtig, weil sie internationale Sichtbarkeit
erzeugen, zum Beispiel für Bewerber aus dem Ausland“,
sagt Alexander Mitterle gegenüber Gründerszene. Der
Soziologe forscht an der Uni Halle-Wittenberg zu Business
Schools.
Hochschulen wie die WHU, an der aktuell etwa 1500
Menschen studieren, haben ein entsprechend großes
Interesse daran, ihren Absolventen möglichst gut bezahlte
Posten zu verschaffen. Auch deshalb spielen Career Center an privaten Hochschulen eine so bedeutende Rolle. Mit
guten Kontakten in die Wirtschaft und dem Versprechen
eines erfolgreichen Übergangs ins Berufsleben grenzen
sie sich von staatlichen Universitäten ab, an denen die
Karriereberatungen für alle Fakultäten – von Kernphysik
bis Philosophie – und teils Zehntausende Studierende
zuständig sind.

In ihrem Windschatten werden die Gründer von morgen ausgebildet: berühmte
Absolventinnen und Absolventen der WHU im Treppenaufgang des Verwaltungsgebäudes
(l.). Organisieren die Idealab-Konferenz – und studieren im dritten Semester an der
WHU: Tim Alexander Wagner (v. l.), Luis-Luca de Haas, Eric Wagner und Jack Jiang
ELISABETH NEUHAUS (2)

Gute Kontakte pflegt die Hochschule daher auch zu ihren
eigenen Absolventen. 1984 gegründet, zählt die WHU
eigenen Angaben zufolge mehr als 4000 Alumni. Sie spenden nach ihrem Abschluss mitunter signifikante Geldsummen, finanzieren Studienplätze oder ziehen Unternehmen
als Stifter und Partner an Land. Mitterle begründet das
enge Verhältnis damit, dass Business-School-Studierende
einen Großteil ihrer Zeit an der Hochschule verbringen,
etwa mit Gruppenarbeiten, dem Erarbeiten von Business-Plänen oder der Organisation von Events wie Idealab.
„Dadurch wird in diesen Studiengängen eine starke Identifikation erzeugt, die ausgeprägter ist als an staatlichen
Fakultäten“, so der Forscher.

Die meisten werden Berater, Banker
Von einer starken Bindung zur Hochschule und zu anderen Kommilitonen berichten auch die Idealab-Studis.
Eine Ellenbogenmentalität, wie Außenstehende sie an der
Hochschule vermuteten, gebe es nicht, heißt es. Jeder sei
bereit, dem anderen zu helfen. „Wenn jemand nachts um
3 Uhr anruft und eine Frage zur Klausur hat, würde jeder
sagen: Klar, ich helfe“, so Idealab-Macher Miron, 20.
Ähnliches berichtet Christopher Oster, Gewinner des
diesjährigen Gründerszene Awards (siehe Seite 6), der von
2010 bis 2014 an der WHU promovierte. Seinen Ab-

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WER IST EIGENTLICH OTTO?
Der 2013 verstorbene Gründer des Handelskonzerns
Metro, Otto Beisheim, spendete der Hochschule
Millionen. Seit 1993 trägt sie seinen Namen. Der
ursprüngliche Titel Wissenschaftliche Hochschule
für Unternehmensführung wird seitdem nur noch als
Abkürzung benutzt (WHU). Übrigens: Wer in einer
Großstadt studieren will, ist in Vallendar verkehrt.
Nicht einmal 9000 Personen leben in der Stadt. In
Düsseldorf hat die WHU einen zweiten Campus.

schluss hatte er zuvor an der EBS gemacht, einer privaten
Business School im Rheingau. „Man nimmt an diesen
Hochschulen unfassbar viele interessante Kontakte mit“,
so Oster. „Auf dieses Netzwerk kann man später immer
wieder zurückgreifen.“
Statistiken der WHU zeigen, dass zwischen 2013 und
2017 sechs Prozent der dortigen Management-Masterabsolventen ein Unternehmen gründeten. Unternehmertum
spielt in der Lehre an der WHU traditionell eine große Rolle. Den größten Teil der Absolventen, mehr als die Hälfte,
zieht es jedoch in die Beratung oder die Finanzbranche.
Die Zahl der Investmentbanking-Einsteiger ist in Vallendar
aber zuletzt gesunken. Wohl auch wegen der hohen
Arbeitsbelastung: 40-Stunden-Wochen sind in der Branche
die absolute Ausnahme. Und: „Man kann dort weniger bewegen als im Startup“, meint der 20-jährige Philipp. Auch
er ist Teil des Idealab-Teams.

„Stress-Level? Immer auf 100 Prozent“
2013 machte der Fall Moritz Erhardt Schlagzeilen. Der
21-jährige WHU-Student war im Sommer während eines

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GRÜNDERSZENE

Praktikums bei einer Investmentbank in London tot in der
Dusche seiner WG aufgefunden worden. Vorher hatte er
angeblich drei Tage durchgearbeitet. Tod durch falschen
Ehrgeiz? Darüber spekulierte die Presse damals. Später
stellte sich heraus, dass Moritz seiner Epilepsie-Erkrankung
erlegen war. Trotzdem warf das Ereignis die Frage auf, ob
Business-Studierende sich zu viel zumuten.
Generell seien WHUler „immer bereit, die Extrameile
zu gehen“, so drücken es viele an der Hochschule aus.
Einer der Idealab-Organisatoren sagt: „Das Stress-Level
Vallendar ist immer auf 100 Prozent.“ Durch Klausuren,
Abgabefristen und lange Praktika habe man die ersten eineinhalb Jahre des Studiums „de facto keinen Urlaub“. Aber
man achte aufeinander. Erst gestern sei jemand mit dickem
Schal und dicker Erkältung reingekommen. Ihm habe man
gesagt: Geh nach Hause, ruh dich aus.
Von der WHU heißt es dazu, der Druck auf den Nachwuchs in der Branche sei ein generelles Problem. Man
versuche, den Studierenden klarzumachen, dass eine
ausgeglichene Work-Life-Balance unerlässlich sei, dass die
Gesundheit immer vorgehen müsse. Studierende könnten
zum Beispiel den psychologischen Service der Hochschule

Letzte Vorbereitungen für die Idealab-Konferenz,
die seit 2001 jährlich an der Hochschule in
Vallendar bei Koblenz ausgetragen wird
ELISABETH NEUHAUS

Geschichten von Leuten, die ihre Wohnung kündigen,
ins Büro einziehen und im Fitnessstudio duschen gehen
mussten, um ihr Startup groß zu machen, hört man hier
gern. Philipp meint: „Wer nicht bereit ist, diesen Schritt
zu gehen, kann das Ganze gleich abhaken.“ Die jungen
Männer und Frauen (30 Prozent des aktuellen dritten
WHU-Bachelor-Semesters sind weiblich) wirken eher
abgeklärt als abgehoben. Mit 19 oder 20 scheinen sie ihr
Leben schon ganz gut im Griff zu haben und zu wissen,
wohin es gehen soll. Das kann in diesem Alter nicht jeder
von sich behaupten.

Kein deutsches Harvard

in Anspruch nehmen. Auch bei der Auswahl der Partnerunternehmen werde darauf geachtet, dass Praktikanten sich
nicht überarbeiteten.

Zahlen immer die Eltern?
Internat in Großbritannien, Au-pair in Australien, Kajakfahren in Chile, Sprachkurs in China – die Lebensläufe
einiger WHU-Studierender beeindrucken schon jetzt. Ihre
Auslandssemester werden sie in Singapur oder den USA
verbringen. Studieren in Vallendar nur privilegierte junge
Menschen? Die WHU betont, dass es zahlreiche Möglichkeiten gebe, das Studium zu finanzieren. Knapp 7000 Euro
kostet ein Semester an der Hochschule. Knapp 11.000
Euro sind es für Nicht-EU-Bürger. Eric, 21, erzählt, dass
ein Bildungsfonds sein Studium finanziere, das Geld muss
er nach seinem Abschluss zurückzahlen. „Hier kann jeder
studieren, der Bock hat“, meint er. Jack, 20, sagt, bei ihm
seien es die Eltern, die ihrem Sohn den Platz an der Hochschule bezahlten. Vorher besuchte der Idealab-Macher ein
staatliches Gymnasium.
Und später? Wollen die jungen Event-Organisatoren
selbst gründen? Abgeneigt ist von dieser Idee niemand.

Laut Deutschem Startup Monitor hat die Technische
Universität München 2018 die meisten Gründer hervorgebracht. Der Vorteil an einer staatlichen Universität: Unter
einem Dach gibt es verschiedene Fakultäten – Maschinenbau, Informatik oder Jura –, die sich jederzeit untereinander austauschen können. In Vallendar wird nur Wirtschaft
gelehrt. Auch deshalb wäre es falsch, die Hochschule als
das deutsche Harvard oder Stanford zu bezeichnen.
Was nicht heißt, dass die Karriereaussichten für
WHU-Absolventen schlecht sind. Seit den 1990er-Jahren
besetzen Betriebswirte in Deutschland immer häufiger
Führungspositionen. Mit der Zahl der BWL-Studierenden
sei hierzulande seit den frühen 2000er-Jahren auch der
private Hochschulsektor gewachsen, so Soziologe Mitterle.
Schätzungsweise 22 Prozent der wirtschaftswissenschaftlichen Studierenden in Deutschland studieren demnach an
privaten Hochschulen. Zum Vergleich: Unter den Studierenden aller Fachrichtungen waren es zuletzt acht Prozent.
Und die Betriebswirte beweisen Standfestigkeit. „Studien
zeigen“, sagt Mitterle, „dass BWL resistent gegenüber den
Erfolgschancen am Arbeitsmarkt ist. Wenn es heißt, es gibt
zu viele arbeitslose Lehrer, studieren weniger Menschen
auf Lehramt. Bei BWL gibt es diesen Einfluss nicht.“
In Vallendar ist die G-Woche fast vorbei. Zum Auftakt der
Konferenz am Freitag steigen alle zwölf Idealab-Organisatoren auf die Bühne – Arm in Arm. Bis zum Ende des
Events liegen noch zwei harte Tage vor ihnen. Aber sie sind
schon jetzt sichtlich erleichtert, es bis heute geschafft zu
haben. 2020 wird die nächste Generation an ihrer Stelle
stehen. Auch sie wird wissen, was zu tun ist.

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