Internethandel Kühlpflichtige Produkte RFL12 2010 S433 434 (PDF)




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Internethandel

ÜBERWACHUNG

Lebensmittelüberwachung
im Internet
Sigrid Löbell-Behrends, Wolfgang Böse, Gerhard Marx, Annemarie Sabrowski,
Monika Lexe, Martin Lohneis, Dirk W. Lachenmeier
>>> Das CVUA Karlsruhe untersuchte
bereits 2007/2008 in einer Pilotstudie
den Internethandel mit Erzeugnissen, die
dem LFGB (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch) unterliegen. In klassischen Medien (TV, Printmedien) aber
insbesondere auch über das Internet
(Online-Shops, Social Networks) wird
eine Vielzahl von Erzeugnissen des LFGB
(Lebensmittel, kosmetische Mittel und
Bedarfsgegenstände) beworben und
angeboten. Ein Teil des Warenangebotes
wird ausschließlich über diese Vertriebswege gehandelt und unsere Arbeitsgruppe hat gezeigt, dass diese Produkte
bisher kaum einer Kontrolle unterliegen.

Internethandel
mit Lebensmitteln
In Deutschland nutzen derzeit 63 % der
Bevölkerung das Internet, das sind 43 Mio.
Nutzer in der Gruppe ab 14 Jahren. Rund
41 % der Deutschen bestellen Waren und
Dienstleistungen im Netz. Die europäische
Kommission hat sich in ihrer „Digitalen
Agenda“ zum Ziel gesetzt, dass 50 % der
Bevölkerung in Europa bis zum Jahre 2015
ihre Einkäufe online durchführen sollen.
Dabei gewinnt der Internethandel mit
Lebensmitteln und anderen Erzeugnissen,
die den Bestimmungen des LFGB unterliegen, zunehmend an Bedeutung. Das
Marktforschungsinstitut Nielsen ermittelte
in einer aktuellen Studie eine hohe Bereitschaft der Verbraucher zum Online-Einkauf
von Lebensmitteln. Danach planen 13 %

der Befragten in Deutschland nach eigenen
Angaben in den nächsten sechs Monaten
einen Online-Kauf von Kosmetik bzw. Lebensmittelvorräten. Frische Lebensmittel
werden von 8 % genannt, alkoholhaltige
Getränke von 5 %. Bei der Bewertung
dieser Zahlen muss bedacht werden, dass
die projektierten Aktivitäten von Amazon
und Otto auf diesem Markt zum Zeitpunkt
der Umfrage (März 2010) noch nicht allgemein bekannt waren.
Der Hamburger Versandhändler Otto
erwägt den Einstieg in den Verkauf von
Lebensmitteln über das Internet und seit 1.
Juli 2010 bietet der Internethändler Amazon
seine neue Produktkategorie „Lebensmittel
& Getränke“ an. Das Unternehmen startete
mit einem Angebot von 30.000 Artikeln,
unterstützt von mehr als 60 Anbietern, denen
Amazon als Plattform dient. Nach 6 Wochen
stieg das Angebot bereits auf über 54.000 Artikel und nach 13 Wochen hatte es sich bereits verdoppelt auf gut 60.000 Angebote.

Problemfeld: Frische,
kühlpflichtige Waren
Auch Frischwaren sowie kühlpflichtige oder
Tiefkühlprodukte werden über die genannten Plattformen verkauft, was die Logistik vor eine große Herausforderung stellt.
Die Stiftung Warentest hat in einem Test
20 frische Produkte bestellt und neben den
hohen Lieferkosten kritisiert, dass in den
meisten Fällen die Angaben zur Haltbarkeit, zu Nährwerten und Mengen der Inhaltsstoffe fehlten.

Abb. 1: Das Lebensmittel-Portal bei amazon.de.

Zu ähnlichen Erkenntnissen kam das
Dortmunder Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik in einer im September
2010 durchgeführten Studie. Für die Stichprobe hatte das Institut bei vier Internetanbietern jeweils 17 Produkte bestellt, die
einen alltäglichen Lebensmitteleinkauf
simulieren sollten, unter anderem auch
frische und leicht zerbrechliche Waren.
Keine der Bestellungen erfüllte alle Anforderungen, teilweise waren die vorgeschriebenen Temperaturen nicht eingehalten
worden, teilweise waren die Lebensmittel
beschädigt angekommen.
Aus dem Blickwinkel der Lebensmittelsicherheit sehen wir insbesondere ein Problem bei kühlpflichtigen Produkten, d. h.
Produkten bei denen das Mindesthaltbarkeitsdatum oder das Verbrauchsdatum an
eine bestimmte Temperatur gekoppelt ist.
Eigene Testbestellungen zeigten, dass die
Anbieter Kühlverpackungen benutzen (in
der Regel Styroporkartons mit speziellen
Kühlgranulaten in Plastikbeuteln). Allerdings lag bei allen von uns bestellten kühlpflichtigen Produkten trotz dieser Verpackung und trotz teilweise nur sehr
geringen Postlaufzeiten von 1 bis 2 Tagen
die Anlieferungstemperatur deutlich oberhalb der vom Hersteller angegebenen
Lagertemperatur. Selbst wenn die mikrobiologische Qualität zum Zeitpunkt des
Erhalts der Ware noch nicht beeinträchtigt
war, ist das angegebene Mindesthaltbarkeitsdatum somit hinfällig. Das Risiko
hat weitgehend der Verbraucher zu tragen.
Neben den oftmals nicht erkennbaren

Abb. 2: Auch froodies.de bietet Lebensmittel im Internet an.

Rundschau für Fleischhygiene und Lebensmittelüberwachung 12/2010

433

gesundheitlichen Gefährdungen besteht
auch keine ausreichend abgesicherte Rechtsposition. Nach § 312 d Absatz 4 Nr. 1 BGB
(Bürgerliches Gesetzbuch) ist das verbraucherschützende Widerrufsrecht bei
Fernabsatzverträgen über die Lieferung
schnell verderblicher Ware ausgeschlossen.
Zudem sind bei den hiervon unabhängig
bestehenden Mängelgewährleistungsrechten zahlreiche Fallkonstellationen denkbar,
in denen ein Kunde seine Rechte nicht
effektiv durchsetzen kann. So wird der konkrete Zeitpunkt des Zuganges der Ware und
des damit verbundenen Gefahrüberganges
vom Unternehmer auf den Verbraucher oftmals streitig und nicht nachweisbar sein.
Mikrobiologische Untersuchungen bei unseren Testbestellungen haben zum Teil deutlich erhöhte Keimzahlen ergeben (Tab. 1).

Konsequenzen für die
amtliche Überwachung
Die Lebensmittelüberwachungsbehörden
stehen vor dem Hintergrund des globalen
Handels in virtuellen Angebotsplattformen
mit einem außerordentlich breiten Produktspektrum vor besonderen Herausforderungen. Die im Internet gehandelten Produkte
müssen dieselben rechtlichen Anforderungen erfüllen wie herkömmlich gehandelte
Erzeugnisse. Die bei den traditionellen
Handelsformen bewährten Strukturen der
Probenahme und Überwachung können jedoch nicht ohne weiteres auf den virtuellen
Internethandel übertragen werden, so dass
Lücken für den Verbraucherschutz in diesem Marktsegment gesehen werden.
Als eine Möglichkeit, die Behörden bei
der Überwachung des Internethandels zu

unterstützen, wird die Gründung einer Zentralen Recherchestelle im Zuständigkeitsbereich der Länder gesehen. Dieser Stelle
könnten bestimmte Aufgaben übertragen
werden, welche aufgrund der speziellen Problematik des Internethandels mit seiner länder- und grenzübergreifenden Struktur entstehen. Dies sind z. B. die Suche nach
risikobehafteten Stoffen und Produkten
nach Maßgabe der Projekt- und Probenpläne
der Länder und bei konkreten Verdachtsfällen, die Suche nach nicht registrierten Betrieben und Lebensmittelunternehmern und
die Feststellung der Anbieteradressen und
damit die zweifelsfreie Feststellung der Inverkehrbringer in Problemfällen.

Probenahme
Eine effiziente Kontrolle des Internethandels ist bisher nicht systematisch in die
Probenahme der amtlichen Lebensmittelüberwachung integriert. Eine „klassische“
Probenahme ist meist nicht möglich.
In einem interdisziplinären Team aus
juristischen und lebensmittelchemischen Experten wurde am CVUA Karlsruhe untersucht, welche Voraussetzungen für eine an
alle neuen Vermarktungsformen angepasste
lebensmittelrechtlich durchführbare Probenahme zu stellen sind. Für eine Stichprobenkontrolle sind die Anbieter zu lokalisieren
und die verantwortlichen Inverkehrbringer
zweifelsfrei festzustellen. Bei Sitz im Inland
mit vollständigem Warenlager ist die konventionelle Probenahme möglich. Bei Agenturen ohne Warenlager wäre zwar eine Kontrolle der Rückverfolgbarkeit und des
Systems zur Sicherstellung der Lebensmittelsicherheit möglich. Aber eine Probe-

nahme auf behördliche Bestellung wird als
problematisch angesehen, da die Probenselektion dann dem Gewerbetreibenden und
somit einer Manipulierbarkeit unterliegen
würde. Aufgrund der Vorankündigung und
mangels freier Probenauswahl durch die
Überwachungsbehörde sind die gesetzlichen
Voraussetzungen einer wirksamen Probenahme nicht erfüllt. Generell ist mit dem
jetzigen System keine Beprobung möglich,
wenn die gesamte Warenhandelskette in
Drittländern stattfindet.

Fazit
Die vorhandenen gesetzlichen Regelungen
sind auf die neuen Vermarktungsformen
und die Vielfältigkeit der regelungsbedürftigen Vorgänge nur teilweise übertragbar.
Neue Rahmenbedingungen und Strukturen
sind dringend notwendig, wie z. B. die
Möglichkeit der Probenahme über eine
behördliche Online-Bestellung, die bei Verdachtsfällen auch anonym durchführbar
sein muss.
Literatur bei den Verfassern.



Sigrid Löbell-Behrends, Wolfgang
Böse, Gerhard Marx, Annemarie
Sabrowski, Monika Lexe,
Martin Lohneis, Dirk W. Lachenmeier
Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Karlsruhe
Weißenburger Straße 3
76187 Karlsruhe
Sigrid.Loebell-Behrends@cvuaka.bwl.de

Tab. 1: Mikrobiologische Untersuchungen bei den Testbestellungen.
Produkt
Frische Alpenmilch 3,5 %
(bei +8 °C mind.
haltbar bis 26. 7.)
Nürnberger Rostbratwürstchen
(bei unter 7 °C mind.
haltbar bis 26. 8. 10)

Probeneingang/Anlieferungstemperatur
13. 7. 10
20 °C

16. 8. 10
19 °C

Stubenküken
(bei +2 bis +4 °C mind.
haltbar bis 2. 9. 10)

27. 8. 10
10 °C

Lachs-Vielfalt
(bei Kühlung von +3
bis +5 °C mind. haltbar
bis 30. 8. 10)

18. 8. 10
10 °C

434

Untersuchungsdatum
– 16. 7. 10

Mikrobiologischer
Befund
unauffällig

– 16. 8. 10

erhöhte Gesamtkeimzahl

– 26. 8. 10
(nach Lagerung bei einer Temperatur
von +7 °C bis zum deklarierten
Mindesthaltbarkeitsdatum)
– 27. 8. 10

erhöhte Gesamtkeimzahl



2. 9. 10
(nach Lagerung bei einer Temperatur
von +4 °C bis zum deklarierten Mindesthaltbarkeitsdatum)

– 18. 8. 10
– 30. 8. 10
(nach Lagerung bei einer Temperatur
von +4 °C bis zum deklarierten Mindesthaltbarkeitsdatum)

Rundschau für Fleischhygiene und Lebensmittelüberwachung 12/2010

unauffällig
deutlich erhöhte Gesamtkeimzahl sowie erhöhte
Keimzahl an Enterobacteriaceae und
Pseudomonaden
unauffällig
unauffällig






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