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Im Auge der Lehrerin
Autor(en):
Hasler, Ludwig
Objekttyp:
Article
Zeitschrift:
Bündner Schulblatt = Bollettino scolastico grigione = Fegl
scolastic grischun
Band (Jahr): 70 (2008)
Heft 6:
1. Bündner Bildungstag
PDF erstellt am:
07.05.2019
Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-357643
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6
BÜNDNER SCHULBLATT
|
1.
Bündner Bildungstag
IM AUGE DER LEHRERIN
Schüler wollen ihre Lehrer bewundern, dann lernen
sie von selbst. Ein Plädoyer für mehr Sinnlichkeit in
Schule und Bildung
VON LUDWIG HASLER
M
it Schule haben Sie mehr
Depp hat heute sein Kompetenzen-
Erfahrung als ich. Dafür habe
Portfolio. Im Leben, in der Berufspraxis
ich eine Urerfahrung. Als
indes reicht es nie, Kompetenzen zu
ich jung war, Geld für mein Studium
brauchte, arbeitete ich oft als
Ludwig Hasler
Dr. Ludwig Hasler
ich wohl ein Alptraum, hatte meinen
studierte Physik und
Doppelleben. Als
Philosoph lehrte er an den Universitäten
Bern und Zürich. Als Journalist war er
Mitglied
der Chefredaktion erst beim «St. Galler
Tagblatt», danach bei der Zürcher
Seit 2001 lebt er als freier Publizist,
und wenn ich
-
-
in Pausen, Turnstunden
so einen Weitsprung an die 7-Meter-
sie hielten mich für einen Star. Danach
nahmen sie meine stümperhaften
Tageszeitungen und Fachzeitzeitschriften.
Lektionen wie Offenbarungen hin
lernten wie verrückt.
Sein jüngstes Buch: «Die Erotik der Tapete.
-
Lebhaftigkeit,
Neugier, Gewitztheit, Frechheit.
weniger bei Lernmotivationsproblemen
der Zweit-, Drittklässler. Doch ich war
damals ein ziemlich guter Leichtathlet,
Vortragstourist, Kolumnist in
Hochschuldozent,
die Person an: ihre Wachheit,
Kopf mehr bei Physik & Philosophie,
Grenze hinlegte, kreischten die Kleinen,
«Weltwoche».
unseren Kompetenzen etwas Tüchtiges
anfangen können. Dabei kommt es auf
Pädagogisch-didaktisch war
Philosophie. Danach führte er ein
journalistisch-akademisches
haben. Da ist entscheidend, ob wir mit
Aushilfslehrer.
und
Sicher hörten auch Sie von der Zürcher
Radauklasse. In kurzer Zeit sechs Lehrer
gebodigt, jetzt ist die siebte dran, eine
25-jährige Lehrerin, also relativ
unerfahren.
Und, hat sie eine Chance? Einer der
renitenten Knaben sagt: «Doch, doch,
sie ist hübsch.» Ein Mädchen, wie stets
etwas nuancierter: «Sie kann es
schaffen,
ich sehe es in ihren Augen.»
Verführung zum Denken» (Huber Verlag
Frauenfeld).
Daraus schliesse ich:
Ludwig Hasler lebt in Zollikon.
ungerecht;
1.
Die Welt ist
einem weitspringenden Hallodri
Was sieht man in den Augen der
Lehrerin?
Das Fenster zur Seele? Sieht man
hängen die Kinder an den Lippen,
darin, dass die Lehrerin gut ist, dass
während im Klassenzimmer nebenan ein
sie es schafft? Aus Sicht der Schüler
durchtrainierter Vollpädagoge an seiner
Kindermeute verzweifelt. 2. George
offensichtlich. Auch aus Sicht der
Hirnforschung: Schüler lernen, weil sie
Bernhard Shaw hat Recht: «Ein jeder
wird so behandelt, wie er aussieht und
die Lehrerin mögen. Aber hat sich die
auftritt.» Gilt für Manager, Politikerinnen,
Fussballtrainer
-
und Lehrerinnen. Sie
gelehrte Pädagogik je mit den Augen
der Lehrerin beschäftigt? Keine Ahnung.
Ich weiss nur: Die Jungen müssen in den
alle müssen allerhand wissen, allerlei
Augen ihrer Lehrerin sehen, wie toll es
können. Doch ob das ganze Wissen und
Können etwas fruchtet, hängt davon ab,
ist, erwachsen zu werden, wie
sensationell
was für ein Mensch da drin steckt. Mehr
vergnügt es macht, klug zu sein.
Heranwachsende brauchen die Lehrerin
noch: Wie er heraus kommt.
weniger als Wissenslieferantin
- sicher
aber als Vorbild.
Wir machen heute so ein Theater um
Texte der Referate auch in
romanischer und italienischer
Sprache unter www.legr.ch
Kompetenzen. Bachelor, Master,
European
Credit Points. Okay, muss sein. Ist
aber nicht matchentscheidend. Jeder
Denn
-
und jetzt kommt meine
Lieblingsthese
-
:
Die Lehrerin ist für
Schüler das leibhafte Lernziel. Das geht
THEMA
7
so: Die Schüler, egal auf welcher Stufe,
Verstandesoperationen an als auf die
Stimmungspegel. Diese Bereitschaft,
erwarten am ersten Schultag neugierig
persönliche Haltung. Man beobachtete
spontan den emotionalen Ausdruck
anderer zu spiegeln, mogelt sich sogar
ihre Klassenlehrerin. Wie sieht sie aus,
zum Beispiel Schüler beim Lösen
was hat sie drauf? Da kommt sie, und
mathematischer
schon die Art, wie sie kommt, prägt das
Faktoren des Erfolgs
künftige Verhältnis: Tanzt sie
-
oder
Aufgaben, untersuchte die
-
und siehe da:
Gegen die verbreitete Ansicht,
an unserer Selbstkontrolle vorbei, sie
passiert uns, unwillkürlich.
Mathematik
schleppt sie? Schüler denken nie allzu
sei eine Domäne von Hirnbestien,
weit, sie schalten instinktiv: Siehe da,
stellte sich heraus: Der rein verstandes-
so also sieht eine aus, die all das schon
mässige Anteil am Erfolg macht kaum
sich unmittelbar auf die Spiellaune ihrer
weiss, was wir mühsam erst lernen
ein Drittel aus. Ungleich wichtiger ist,
Schülerinnen, bestimmt deren
müssen. Und? Was hat sie jetzt davon?
was die Forscher das «Ich-Konzept»
Blüht sie oder welkt sie? Strahlt sie oder
nennen
-
Das heisst: Wie Lehrer gestimmt sind,
die Art, wie sie auftreten, das überträgt
prägt deren
Tagesform,
Handlungsbereitschaften,
setzt seelische wie körperliche
das Selbstvertrauen, diese
verlöscht sie? Was die Lehrerin in ihren
Hirnschalen an Fach- und Sachwissen
so alles lagert, beeindruckt keine
Schülerin; die will leibhaftig sehen, will
erleben, was dieses Wissen fürs Leben
hergibt, wie reich es die Person macht,
wie gewitzt, wie souverän.
Die Lehrerin muss als Idol taugen, tut
mir leid, als Vorbild einer geglückten
Lernfigur. Das Geheimnis ihres Wirkens
liegt nicht im professionellen
Hantieren
mit Wissen. Dass sie da ein paar
Sonderkompetenzen hat, ist geschenkt.
Durch ihr Berufswissen hindurch muss
sie einleuchten als exemplarische
Bildungsfrau, als menschgewordene
Lernlust. Und dies unübersehbar, also
sinnlich. An ihr müssen die Jungen
sehen
können, wie sehr es sich lohnt, sich
Haltung «Ich kann das», dazu eine
Veränderungen in Gang. Das
ist
Neugier, die Lust am Durchblick, eine
gewisse Frechheit auch.
überhaupt
-
-
Klassenzimmer
wie das Leben
ein einziges Resonanz-Theater.
Schuld daran sind die phänomenalen
auf den ganzen Schulkram einzulassen.
Über reine Vernunft funktioniert das
Genau das müssen Schülerinnen im
Leistungen der Spiegelneuronen.
nie. Unter Menschen läuft alles über die
Lehrer vorgelebt sehen. Denn der
Sinne. Bei Heranwachsenden schon gar.
Die brauchen ein Bild aus Fleisch und
Mensch, nicht allein der junge, lernt
Nimmt der Lehrer diese Hirntheorie
durch Resonanz. Sagen Hirnforscher
ernst, wechselt er sogleich seine Rolle.
Blut, das sie zum Lernen animiert. Gott!,
mit ihrer Theorie der Spiegelneuronen.
Die aktuelle Pädagogik nährt sich zu
müssen sie sagen können, welch eine
lebhafte Lehrerin! Und die findet all das
Die geht, grob gezeichnet, so: Der
einseitig aus der Psychologie: die
Mensch ist nie ein selbständiges, in sich
Schüler
von ihren Bedürfnissen her verstehen
lebenswichtig, was wir da lernen sollen.
dann muss es wohl wichtig sein.
geschlossenes Wesen. Eher ein Spiegel
und bedienen. Nichts dagegen. Nur,
Ja,
der andern. Vor allem emotional.
ich fürchte, da kommen wir nicht weit.
Die Lernforschung sagt uns: Es kommt
auch nur unmerklich, lächeln wir zurück.
das ist Treten an Ort
beim Lernen weniger auf einzelne
Wirkt es verbiestert, sinkt auch unser
noch gegen die Bedürfnisse der Schüler.
Experimente
zeigen: Lächelt unser Gegenüber
Schule als Bedürfnisbewirtschaftung,
-
und vermutlich
BÜNDNER SCHULBLATT
|
1.
Bündner Bildungstag
Insgeheim wünschen sich Junge einen
Selbstbewusstsein, und erst mit diesem
Häuptling, der sich weniger in sie
Empathie ist gut, Vorbild ist besser.
Selbstbewusstsein können sie sich
Empathie kümmert sich um den akuten
einfühlt als ihnen vormacht, wie man
abfinden mit ihrer Lage - oder sich
Seelenzustand der Schüler, das Vorbild
kräftig lebt. Wie man aus eigener Kraft
verändern.
holt sie aus ihm heraus, animiert sie, mit
zu kommen auf Streifzüge des Wissens,
lebt.
Darum bin ich so fixiert auf den Blick
Es
muss nicht Weitsprung sein. Doch
des Lehrers.
In
diesem Blick muss
ein paar Sprünge muss man Ihnen
die Schülerin zu sich kommen. Nicht
schon zutrauen.
ertappt fühlen, wie der Horcher.
Es
reicht, dass man
die Ihrem Blick ansieht. Der Blick ist
was ganz Besonderes. Jean-Paul Sartre,
der Existenzphilosoph, hat darüber in
-
wie Erwachsene auch
- gerne etwas
vor, sehen sich anders, als sie sind. Der
seinem Hauptwerk «Das Sein und das
Blick der Lehrerin muss sie in ihre
Nichts» ein erhellendes Kapitel
Wirklichkeit
geschrieben.
Das geht so: Ein Mann horcht an
der Tür, man weiss nicht warum, doch
ich ketzerisch: Wer immerzu sich empathisch in andere einfühlt, hat vielleicht
sonst nichts zu bieten, ist wohl einfach
schon. Schüler machen sich ja
Gespiegelt
Fragens, Fantasierens. Manchmal denke
zu schwach, um als Leuchtfigur zu
glänzen. Starke Figuren fragen uns nicht,
was uns plagt und ob es so stimmt für
uns; sie ziehen uns an, und erlösen uns
holen, muss ihnen zu bedeuten
eben damit von unseren Plagen.
Natürlich
müssen Lehrer ihre Schüler mögen
geben: Hey, Marco, jetzt verkaufst
du dich unter deinen Möglichkeiten.
(sonst haben sie ihren Beruf definitiv
Insofern muss ersieh schon ertappt
fühlen. Aber gleichzeitig muss der Blick
verfehlt), jedoch nicht partout in ihrer
aktuellen Form, eher in ihrer
ihm sagen: Das bist eigentlich nicht Du,
junger Mann, du bist zu ganz anderem
Möglichkeitsform.
fähig, ich weiss das doch, ich traue es
Die Entwicklung von Möglichkeiten
dir zu, rapple dich mal auf, dann sind wir
wieder auf Augenhöhe.
aber ist Arbeit, nicht immer Spass. Und
damit die Schüler dieser Arbeit geneigt
werden, brauchen sie ein Zugpferd.
All dies kann ein Blick sagen und
Den attraktiven Lehrer. Die Lehrerin als
bewirken. Er darf streng sein, doch nie
entmutigend. Er muss verständnisvoll
leibhaftes Lernziel.
-
Ich will mir die Lehrerin als einen
und darf doch nicht für alles
bei Männern ist es normalerweise die
sein
Eifersucht. Jedenfalls horcht er und so
Verständnis
angestrengt horchend vergisst er sich
Die Lehrerin, morgens im Bad, schaut
ganz, er ist mit allen Fasern seines
nicht irgendeine Sache. Er muss das
Selbstbewusstsein herausfordern - und
Bewusstseins im Zimmer, beim
das ermutigend. Er muss Lust machen
wichtigste Person im Land? Na, wer
wohl. Bin ich nicht die Personalentwick-
Erhorchten,
nicht bei sich. Bis ein Anderer
den Gang entlang kommt, der Horcher
haben. Er muss fordern
am «andern» Marco
-
-
aber
am lebhaften,
neugierigen, lernfreudigen. Das geht am
hört die Schritte, er schaut auf, sieht
besten mit Humor. Ich mache das mit
den Andern. Aber solange passiert gar
meinen Studenten so. Wenn ich sehe,
nichts. Er schaut dem Andern in die
dass einer abhängt, sehe ich ihn
Augen
-
und jetzt passiert es: Er sieht
sich erblickt. Er sieht also eigentlich
gar nicht den Beobachter, er sieht
den Augen des Beobachters sich - und
in
belustigt
an, er sieht dann in meinem Blick:
Weisst du, ich bin manchmal auch gern
faul, ich versteh dich schon, aber es ist
glücklichen
Menschen vorstellen. Konkret so:
in den Spiegel: Hey Du, wer ist die
lerin des Landes? Die Jugend, sagen
alle, ist unser Standortfaktor Nr. 1. Und
wer bringt sie in Schwung, intellektuell
wie zivilisatorisch? Na also. Lachend
hebt sie den Kopf, zieht ihre Lippen
rot. So verlässt sie das Haus, macht
sich beschwingt auf den Weg, die Leute
schauen ihr bewundernd nach, die
errötet. Denn in diesem Augenblick
einfach zu blöd, grad jetzt wegzutauchen, wo es doch so spannend ist, wo
kommt er erst zu sich, im Blick des
wir Dinge verhandeln, die du unbedingt
zu schrauben, die Kollegen vergessen
Politiker wagen nicht mehr, am Budget
andern erkennt er sich, seine Lage. Erst
kapieren musst. Dann hängt er gleich
ihre Ausgebranntheit, die Schüler sind
jetzt wird ihm klar: Er ist ein schäbiger
wieder ein.
schon ganz aufgekratzt...
Da liegt der Unterschied zwischen
So macht man das. Nicht nur als
Das heisst: Erst der Blick des andern
Empathie (vorsätzliches Verständnis
Lehrerin.
bringt Menschen zu sich selbst, zum
für alle) und Führung (durch Vorbild).
Horcher an der Tür.
Hasler_ImAugeDerLehrerin.pdf (PDF, 3.23 MB)
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